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20171128 Neeb BohnMein Schatz steht auf dem kreisrunden Metallplättchen, das Marius Neeb aus der Maschine CNC-Maschine ausspannt, abbürstet und prüft: Ja, der Schlüsselanhänger ist in Ordnung. Weiter geht´s… Der 22-Jährige sitzt im E-Rollstuhl an einem höhenverstellbaren Tisch und ist mit Eifer bei der Sache. Direkt nach seiner Ausbildung konnte er ins Berufsleben starten; er arbeitet in Teilzeit als Graveur bei der Schilderfabrik SchiBo GmbH in Niederroßbach.

Freude über diesen nahtlosen Übergang herrscht auch bei der Agentur für Arbeit Montabaur, die den jungen Mann unterstützt. Er leidet unter einer progressiven Muskeldystrophie (Typ Duchenne) und hat die Christiane-Herzog-Schule im Heinrich-Haus Neuwied/Engers besucht. Seinen Hauptschulabschluss machte er im Berufsbildungswerk Volmarstein und absolvierte dort anschließend eine Ausbildung zum Elektrogerätemechaniker, die die Arbeitsagentur finanzierte.

Im Juli dieses Jahres legte er die Prüfung ab und ging in eigener Initiative auf die Suche nach einem Arbeitsplatz. Er fand ihn in seinem Heimatdorf – ein Glücksfall. „Ich wohne direkt um die Ecke. Zur Arbeit und zurück fahre ich mit dem E-Rolli“, lacht Marius Neeb und zeigt aus dem Fenster. „Meine Familie kennt Herrn Bohn.“ Mathias Bohn, Seniorchef der SchiBo GmbH, ist im christlichen Glauben verwurzelt und sieht darin einen Auftrag: „Was man für andere tun kann, das soll man tun.“ Aber er ist auch der Unternehmer, der sagt: „Bevor ich einen Mitarbeiter mit Handicap einstelle, muss ich schauen, was machbar und sinnvoll ist. Sonst hat keiner was davon.“ Seinen Betrieb am Ortsrand von Niederroßbach betrachtet Bohn als XXL-Familie, in der die Probleme und Bedürfnisse der 27 Beschäftigten berücksichtigt werden. So arbeitet eine mehrfache Mutter ausschließlich von zu Hause und online, andere Frauen sind morgens im Betrieb, wenn die Kinder in der Schule sind.

Damit beide Seiten profitieren, lässt Mathias Bohn sich einiges einfallen. Für Marius Neeb, der nicht im Stehen und an komplexen Anlagen arbeiten kann, reaktivierte er eine kleine CNC-Maschine und ließ einen passenden Tisch fertigen. Die Agentur für Arbeit Montabaur schickte ihren technischen Berater in den Oberwesterwald und bezahlte die Konstruktion. Der Arbeitsplatz des Rollifahrers ist direkt mit dem PC des Kollegen verbunden, der die EDV-technische Vorbereitung macht. Denn Marius Neeb graviert viele unterschiedliche Werkstücke – angefangen von Schlüsselanhängern über Garderobenmarken bis hin zu den Metallplaketten, die die Schläuche, Kabel und Versorgungsleitungen großer Produktionsanlagen kennzeichnen.

Kleine und größere Probleme zu lösen, ist auch Aufgabe von Martina Schmidt-Gail, die als Reha-Beraterin der Arbeitsagentur in engem Kontakt mit den Betrieben steht. Wo Unterstützung möglich ist, bringt sie diese auf den Weg: Für Marius Neeb, der täglich von 8:00 Uhr bis 12:15 Uhr seinen Job macht, fließt ein Jahr lang ein Eingliederungszuschuss von 50 Prozent des Gehalts.

Elmar Wagner, Chef der Agentur für Arbeit Montabaur, ermutigt die Betriebe, dem Beispiel der SchiBo GmbH zu folgen und Beschäftigte mit einer Beeinträchtigung einzustellen: „Die Unternehmen ermöglichen damit nicht nur soziale und gesellschaftliche Teilhabe, sondern können auch Fachkräfte gewinnen.“ Die meisten (schwer)behinderten Menschen bringen eine schulische, betriebliche oder akademische Ausbildung mit. Wenn der Arbeitsplatz passt, sind sie so leistungsfähig wie jeder andere. Sehr viele Handicaps lassen sich organisatorisch oder durch moderne Technik ausgleichen. Elmar Wagner ist überzeugt: „Inklusion zahlt sich für alle aus. Deshalb fördern wir sie nach Kräften.“

Dieses Bestreben betont die Bundesagentur für Arbeit alljährlich während der
Woche der Menschen mit Behinderungen, die diesmal vom 27. November bis 3. Dezember im Kalender steht. Sie möchte nicht nur Vorurteilen begegnen, sondern auch festgefahrenen Vorstellungen. So verbindet sich mit Behinderung in den meisten Köpfen automatisch das Bild des Rollstuhlfahrers oder des Blinden mit Hund. Vielen Menschen ist ihre Beeinträchtigung jedoch nicht anzusehen. Schwerbehindert ist zum Beispiel auch der Mann mit Diabetes, der Autist in seiner Zahlenwelt oder die Frau, die eine Brustkrebs-OP überstanden hat. Sie alle können Kolleginnen und Kollegen sein – in einer bunten Gesellschaft, die Inklusion (vor)lebt.