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20170622 Stadtsanierung GroßerMarkt5 GruppenbildStadtsanierung ist, wenn moderner Wohnraum in alten Gebäuden entsteht, wenn Geschichte auf heutige Lebensart trifft, wenn sich Leidenschaft mit Augenmaß paart. All das passt auf das Wohnhaus am Großen Markt 5 in Montabaur, dessen obere Etagen derzeit umfassend saniert werden, so dass eine moderne Wohnung mitten in der Altstadt entsteht. Die Eigentümer Doris und Wilhelm Kalb stecken viel Herzblut und Geld in die Traditionsimmobilie und erhalten im Rahmen der Stadtsanierung Fördergeld und Beratung seitens der Stadt. Foto: Fast fertig. Gemeinsam haben sie die Sanierung des historischen Gebäudes am Großen Markt 5 voran gebracht: (v.l.) Stefan Baumgarten, Projektleiter Stadtsanierung, die Eigentümer Wilhelm und Doris Kalb sowie Architekt Konstantin Hartenstein.

20170622 Stadtsanierung GroßerMarkt5 historischWann das Gebäude mit der markanten Fassade entstand, wissen die Eigentümer nicht genau. „Vor 1890“, ist sich Doris Kalb sicher. Auch der Architekt Konstantin Hartenstein, der im Auftrag der Eheleute Kalb die Sanierung leitet, will sich nicht festlegen. Er zeigt, dass es unterschiedliche Wandaufbauten gibt, die auf mehrere Bau- und Umbauphase hindeuten. „Bei der Sanierung im Altbau muss man immer auf Überraschungen gefasst sein. Wir arbeiten dann mit dem, was wir vorfinden, und versuchen so viel wie möglich von der alten Substanz zu erhalten. Gleichzeitig müssen wir moderne Standards einhalten, besonders im Brandschutz und bei der Gebäudetechnik“, beschreibt er die Grundzüge seiner Arbeit. Im dem Gebäude am Großen Markt wurden gemauerte Backsteinbögen an den Wänden wieder freigelegt, eine alte Stuckdecke erhalten, die innenliegende Holztreppe aufgearbeitet, ebenso die Holzdecke im Stile einer „Kölner Decke“. Bei der Planung der Sanierungsmaßnahme stellte sich heraus, dass die Unterzüge im ersten Obergeschoss nicht mehr ausreichend tragfähig waren und aufwendig durch neue Stahlträger ersetzt werden mussten. Im zweiten Obergeschoss wurden - ebenfalls aus statischen Gründen - alte Fachwerkwände ersetzt. „Auf diese teuren Überraschungen hätten wir verzichten können. Aber die Alternative wäre gewesen, nichts zu machen, und die Wohnung über der Eisdiele einfach leer stehen zu lassen. Das kam für uns nicht in Frage“, sagt Wilhelm Kalb rückblickend. Das Haus gehört seit Generationen seiner Familie und so ist es ihm wichtig, „dass der Name Kalb am Großen Markt vertreten bleibt.“
Foto: Diese Aufnahme entstand um 1908 und zeigt die Häuserzeile am Großen Markt (Bild: Stadtarchiv).

Im ersten und zweiten Obergeschoss des Vorderhauses entsteht eine 140 Quadratmeter große Wohnung, die sich über beide Etagen erstreckt. Das dritte Obergeschoss und das Dachgeschoss können aus Gründen des Brandschutzes nicht zum Wohnen oder Arbeiten genutzt werden. Im September soll die Wohnung bezugsfertig sein; es werden Mieter gesucht. Der untere Bereich besteht aus einem einzigen großen Raum mit Platz für Küche, Essecke und Wohnbereich. Oben gibt es zwei Zimmer und ein neues Bad. Im Zuge der Sanierung wurden sämtliche Installationen erneuert und für die gesamte Wohnung ein Beleuchtungs- und Belüftungskonzept erstellt, denn „richtige“ Fenster gibt es nur zum Großen Markt hin. Auf der Rückseite befindet sich zwischen Vorder- und Hinterhaus ein mit Glas überdachtes Treppenhaus, das etwas Licht in den hinteren Bereich der Wohnung hereinlässt. Dieses Treppenhaus hatten Kalbs schon vor bald 15 Jahren einbauen lassen. Über das Treppenhaus ist die Wohnung auch von der Judengasse her zu erreichen; eine wichtige Voraussetzung für die jetzige Sanierung, weiß Stefan Baumgarten, Projektleiter Stadtsanierung bei der Verbandsgemeindeverwaltung. 20170622 Stadtsanierung GroßerMarkt5 Innen„Wir haben in der Altstadt oft das Problem, dass die oberen Etagen nur über die Ladenlokale im Erdgeschoss zu erreichen sind und keinen separaten Zugang haben. So kann man eine in sich geschlossene Wohnung natürlich kaum vermieten. In der Stadtsanierung suchen wir für dieses Problem Lösungen zusammen mit den Eigentümern und Nachbarn“, so Baumgarten. Auch der Brandschutz spielt in diesem Zusammenhang eine Rolle, denn separate Treppen sind wichtige Fluchtwege. Baumgarten lobt das Engagement der Hauseigentümer: „Hier wird keine Sparsanierung „dünn drüber“ gemacht, sondern nachhaltig saniert. Solche Projekte fördern wir gerne.“ 50.000 Euro Zuschuss hat die Stadt in diesem Fall bewilligt; 150.000 Euro haben die Eheleute Kalb aktuell investiert (siehe Infokasten). Baumgarten weiß auch die gute Zusammenarbeit zwischen Eigentümern, Architekt, Handwerkern und Stadt zu schätzen: „Hier haben alle an einem Strang gezogen.“ Aber noch ist die Sanierung nicht abgeschlossen. Im nächsten Jahr wollen Kalbs die Fassade im Erdgeschoss mit Schaufenstern und Markisen erneuern. Hier hat seit 49 Jahren die Eisdiele Dolomiti ihr Lokal. „Zum 50. Geburtstag wollen wir das Haus vorne schick machen“, so Doris Kalb. Foto: Während der Sanierung: Dieses Foto zeigt denselben Raum aus derselben Perspektive, aus der auch das Gruppenbild aufgenommen wurde. Bislang gab es in der unteren Etage eine Trennwand mit Schiebetür, deren Rahmen hier noch steht. Durch die Entfernung der Wand wurden viel Platz und Licht gewonnen.

Stadtsanierung im Überblick

Das erste Programm zur Altstadtsanierung in Montabaur wurde 1973 gestartet. Im Jahr 2008 wurde das Nachfolgeprogramm aufgelegt und ein neues Fördergebiet hinterlegt. Seit 2017 nimmt die Stadt Montabaur am Bund-Länder-Programm „Aktive Stadtzentren“ teil. Das neue Sanierungsgebiet „Innenstadt“ ist 24 Hektar groß und umfasst jetzt die gesamte Innenstadt zwischen Alleestraße, Bahnhofstraße, Wallstraße, Wilhelm-Mangels-Straße und Kolpingstraße; erstreckt sich also vom Alten Bahnhof über den Schlossberg bis hin zur katholischen Pfarrkirche. Die Stadtsanierung basiert auf dem Zusammenspiel öffentlicher und privater Maßnahmen, die wiederum durch öffentliche Zuschüsse gefördert werden. Das Programm „Aktive Stadtzentren“ ist besonders attraktiv für private Investoren: Der Fördersatz beträgt 30% der förderfähigen Gesamtkosten, maximal jedoch 35.000 Euro. Es handelt sich um echte Zuschüsse, die nicht zurückgezahlt werden müssen. In Ausnahmefällen bei Gebäuden von besonderer städtebaulicher Bedeutung kann der Stadtrat sogar bis zu 50.000 Euro Zuschuss bewilligen – so wie das Beispiel Großer Markt 5 zeigt.

Seit 2010 wurden rund 50 private Sanierungsmaßnahmen bewilligt, 35 davon sind abgeschlossen, die anderen befinden sich noch in der Umsetzung. Insgesamt hat die Stadt in diesen Jahren rund 800.000 Euro Fördergelder bewilligt und 600.000 Euro davon bereits ausgezahlt. Die Gesamtinvestition aller privaten Maßnahmen beträgt rund 7 Mio. Euro. Offenbar haben einige Hauseigentümer im Sanierungsgebiet auf den Start des Programms „Aktive Stadtzentren“ gewartet, denn seit Jahresbeginn wurden bereits für 8 Objekte Modernisierungsvereinbarungen geschlossen; weitere sind in Vorbereitung.