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Eine Fahrt mit zwei ehrenamtlichen Helfern zu den Märkten der Region – Kisten schleppen für den guten Zweck
Westerwaldkreis. Die beiden Männer sitzen im Fahrerhäuschen des E-Transporters. Es riecht nach Obst und Brot. Im Radio läuft Jethro Tulls Klassiker „Too old to Rock’n‘ Roll, too young to die.“ Ein Song, der irgendwie passt. Denn das, was die beiden tun, findet zwar nicht auf der großen Bühne statt, ist für sie aber genauso erfüllend (und manchmal auch so kräftezehrend) wie ein gutes Konzert: Raimund Schäfer und Oswald Pfaffhausen gehören zum FahrerInnen-Team der Tafel Westerwald. Woche für Woche sind mehr als 30 Männer und Frauen für die Ausgabestelle Montabaur-Wirges unterwegs; für die gesamte Wäller Tafel sind fast 150 Menschen auf Tour. So wie heute, als die beiden wieder die Märkte der Region anfahren, um gute Lebensmittel vor der Tonne zu retten.


„Morgen! Habt Ihr was für uns? Ah super, dann bis gleich!“. Die Telefonate, die die beiden mit den Supermärkten führen, sind kurz. Man kennt sich eben. Und das seit Jahren. Zehn Mal in der Woche fahren sie und die anderen FahrerInnen insgesamt 28 Märkte rund um Montabaur und Wirges an. Etwa eine halbe Tonne Lebensmittel sammeln die Tafel-MitarbeiterInnen dort ein. Lebensmittel, die es aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr in die Regale der Händler schaffen, aber zu gut für den Müll sind. Zum Beispiel, weil Obst Druckstellen hat oder nicht mehr frisch aussieht, das Mindesthaltbarkeitsdatum bald abläuft oder weil es sich um Saisonware handelt – etwa um Schoko-Osterhasen. Raimund Schäfer, Oswald Pfaffhausen und die anderen FahrerInnen bringen die Lebensmittel dann in die Ausgabestelle Montabaur-Wirges in der Montabaurer Mons-Tabor-Straße. Dort können Tafelkunden sie dann dienstags und freitags von 14.30 bis 16 Uhr abholen.
Heute stehen fünf Märkte auf der Route der beiden Rentner. Eine überschaubare Runde, meint Raimund Schäfer. „Unsere Hammertour ist der Freitag. Da fahren wir zehn an“, sagt der Mann mit den kräftigen Unterarmen. Die braucht er auch. Denn jede Station bedeutet: Kisten schleppen. Viele davon. Im Durchschnitt 30 pro Tour.
Das Prozedere vor Ort ist immer gleich: Der Transporter fährt an die Rückseite der Märkte; zu den großen Laderampen, wo auch oft die Liefer-LKWs ihre Waren abladen. Deren Fahrer sind oft unter Zeitdruck und reagieren manchmal etwas dünnhäutig auf die Tafel-Transporter. Aber der Ton macht die Musik, glauben Raimund Schäfer und Oswald Pfaffhausen. „Neulich wurde ein Kollege ziemlich unfreundlich. Dem hab‘ ich dann mal kurz die Meinung gesagt. Aber das war die Ausnahme. Meistens kommen wir gut miteinander aus“, sagt Oswald Pfaffhausen lächelnd. Schließlich war er selbst lange LKW-Fahrer. Das merkt man. Wenn er seinen ehemaligen Kollegen durch die geschlossene Windschutzscheibe Rangieranweisungen zuruft („Komm Jung‘, fahr! Wo willste dann hin?!“). Und wenn er den Transporter präzise wenige Zentimeter vor der Laderampenkante zum Stehen bringt. Damit er und sein Begleiter die Kisten nur so weit wie nötig schleppen müssen. Die stehen in den kühlen Lagerräumen schon bereit. Deren Inhalt: Quer durchs Gemüsebeet. Heute gibt’s Blumenkohl, Gurken, Zitronen, Bananen, Äpfel, dazu noch Brot und vieles andere. Das meiste ist noch einwandfrei in Ordnung, nur bei manchen Lebensmitteln müssen Raimund Schäfer und Oswald Pfaffhausen vorsortieren. Besonders bei Obst. Oswald Pfaffhausen greift beherzt in eine Kiste mit Erdbeeren, schaut sich eine Packung an und schmeißt sie dann kopfschüttelnd in eine Mülltonne. Alles andere wandert in die Kisten und Kühlboxen, die im Transporter bereitstehen. „Für Menschen mit Rückenproblemen ist dieser Job nichts“, lacht Raimund Schäfer, während er eine Box mit Radieschen in den Transporter wuchtet. „Wenigstens kann man in unserem neuen Gefährt stehen. Unser altes hatte dafür eine zu niedrige Deckenhöhe, was viel unangenehmer war.“
Der Laderaum des Wagens füllt sich heute recht schnell. Und dennoch ist die Ausbeute insgesamt geringer als noch vor ein paar Jahren. „Wir bekommen weniger als früher“, sagt Raimund Schäfer. „Die Händler bestellen effizienter. Sie können kleinere Einheiten ordern und bieten oft Rabattaktionen an, die dafür sorgen, dass nicht mehr so viel überproduziert wird beziehungsweise übrigbleibt. Das ist einerseits gut, da nicht mehr so viel Ware in den Müll wandert. Andererseits bleibt dann für die Tafel weniger über.“
Knappheit gibt es aber noch keine. Auch heute nicht, und am Ende der Tour sind Raimund Schäfer und Oswald Pfaffhausen zufrieden. Heute kehren sie mit mehr als 30 Kisten in die Ausgabestelle zurück. „Wenn es kein Ehrenamt wie die Tafel gäbe, hätte man‘s für mich erfinden müssen“, sagt Raimund Schäfer. „Ich helfe und unterstütze eben gerne. Für mich ist das keine Belastung, sondern eine Bereicherung.“ Sein Kollege pflichtet ihm bei: „Uns geht es doch gut. Da kann man ruhig mal etwas für die tun, die es schwer haben.“
Für heute haben die beiden genug getan. Alle Kisten sind im Kühlbereich der Ausgabestelle verstaut und warten nun auf die Ausgabetage. Auf die beiden Rentner wartet: der Feierabend. Bis zur nächsten Tour zwischen Radieschen, Rangieren und Rock’n’Roll-Radio. (bon)
Im Detail:
Die Tafel Westerwald sucht für ihre Ausgabestellen dringend zusätzliche FahrerInnen und Fahrer. Eine Tour dauert etwa drei bis vier Stunden. Die Ausgabestellen sind: Montabaur-Wirges, Herschbach-Selters, Höhr-Grenzhausen, Bad Marienberg, Hachenburg, Westerburg, Ransbach-Baumbach und Rennerod. Menschen, die Lust haben, für die Tafel auf Achse zu sein, können sich melden bei der Regionalen Diakonie Westerwald, Telefon 02663/9430-0, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! (Regionale Diakonie WW) 

Kategorie: Bunte Meldungen
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