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Zeitlos! Wie geht das? Nun ja, das Wegschauen und die Ignoranz gegenüber extremen Ideologien
und Bedrohungen ist heute wieder aktueller denn je. Im Stück ist es Gottfried Biedermann, gespielt
von Sebastian Reiners, der beunruhigt ist über die Brandstiftungen, von denen berichtet wird. Er
selbst aber begegnet voller Vertrauen einem Unbekannten, listig und verschlagen gespielt von
Benedict Rybczinski. Sogar als eine weitere Unbekannte, Eleonore Eisenring (Angelika Jacobeit),
sein Haus betritt und sich zu dem mittlerweile wachsenden Arsenal an Benzinfässern und
Zündschnüren gesellt, ist er nicht bereit, seine anbiedernde Toleranz aufzugeben. Oder ist es gar
Feigheit?

Biedermann und die Brandstifter, geschrieben in den 50er Jahren von Max Frisch, ist ein
Lehrstück ohne Lehre, ohne erhobenen Zeigefinger, den Max Frisch aber dennoch geschickt
verwendet und den er in die Wunde von blinder Dummheit und Feigheit legt. Die Folgen sind das
Wegschauen, das Verschließen der Augen vor der Wirklichkeit. In der gelungenen Inszenierung
von Renate Richter gelingt es dem Ensemble der oase, die Absurdität und den Irrwitz auf die Bühne
zu bringen. Denn wissend, wie das Ende der Geschichte aussehen könnte, verfolgt das Publikum die
tragikomische Handlung schmunzelnd, das Einschleichen der Brandstifter verfolgend und
belächelnd das Agieren des Biedermanns, der scheinbar an seinen eigenen Moralvorstellungen
verzweifelt. Sebastian Reiners, Angelika Jacobeit und Benedict Rybczinski gelingt es, die
Charaktermerkmale von Biedermännern und Brandstiftern überzeugend auf die Bühne zu bringen.
Begleitet werden sie von Marion Best als Gottfrieds Mutter, Lena Bongard als Dienstmädchen
Anna und Kurt Frank als Polizisten. Und da wäre noch der Chor der Feuerwehr, gespielt von Franca
Zierold, Martin Burggraf und Michael Musil, der uns die Gesellschaft und ihr Gewissen
repräsentiert und der zwar die Gefahr erkennt, gar dokumentiert, aber letztlich das Verhalten
Biedermanns nicht ändern kann. Die Katastrophe naht. Und während das Spiel auf der Bühne
fortschreitet, rücken die Benzinfässer immer näher. Was Max Frisch mit seiner Parabel ausdrücken
wollte, können wir erahnen, gerade in den heutigen Zeiten, in denen der Ruf nach allzu einfachen
Lösungen, das Leugnen des Klimawandels und der Rechtspopulismus immer lauter wird. Die
Brandstifter zeigen ihre Absicht offen, doch die Wahrheit glaubt niemand. Sie ist die beste Tarnung.
Es ist ein Aufruf, kritisch zu denken und die Zeichen der Zeit, die Zündkapseln, zu erkennen und
darauf zu reagieren, bevor es zu spät ist. Im 60. Jahr seines Bestehens ist es dem Ensemble der
„oase“ gelungen, Frischs politische Parabel überzeugend und lebendig auf die Bühne zu bringen.
Nach der Schneekönigin und der Wunderübung von Daniel Glattauer ist Biedermann und die
Brandstifter die dritte Spielzeit des ambitionierten Amateurtheaters aus Montabaur in diesem Jahr.
Die Vorstellungen sind alle restlos ausverkauft. (oase Montabaur) 

Kategorie: Veranstaltungen, Kunst und Kultur
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