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Auf unserem Waldfriedhof wurden jetzt sechs Gräber jüdischer Bürger Betzdorfs geschändet: Ihre Grabsteine wurden abgebrochen, aus der Verankerung gerissen und umgestürzt. Das sind nicht einfach Steine, nicht eine Last einer längst vergangenen Geschichte - sonst wären diese Gräber wohl kaum jetzt so systematisch und gewaltsam geschändet worden. Ein antisemitischer Gewaltakt, nun auch bei uns. Wir sind entsetzt, wir sind alarmiert.

Diese Gräber aus den Jahren 1922-1936 galten dem Andenken an die Betzdorfer Jakob Herz, Ernst Klestadt, Nathan Winter, Minna Heinheimer, Marianne Tobias und Callmann Tobias.

Noch im vergangenen Jahr standen wir mit drei Urenkeln von Callmann Tobias, als sie uns in Betzdorf besuchten, an seinem, an eben diesem jetzt geschändeten Grab. Die Internet-Seite des Friedhofswesens der Verbandsgemeinde Betzdorf-Gebhardshain zeigt als Erkennungsfoto das betroffene Gräberfeld, das unter Denkmalschutz steht. Es sind Gräber von Betzdorfer Jüdinnen und Juden, Gräber von Betzdorfer Bürgerinnen und Bürgern, es ist unser Friedhof.

Die Stadt Betzdorf hat Strafanzeige erstattet. Nach dem Strafgesetzbuch können die „Gemeinschädliche Sachbeschädigung“ und „Störung der Totenruhe“ jeweils mit Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren bestraft werden. Dies ist der Rechtsweg.

Aber es geht um mehr, um viel mehr. “Ruhe sanft” steht auf einigen dieser Grabsteine. Und ja, diese Gräber überstanden erstaunlicherweise sogar die Jahre des Nationalsozialismus mit seinem Judenhass und der Ermordung von Millionen Juden.

Als man Anfang der 1970er Jahre den alten Betzdorfer Friedhof schloss, wurden diese jüdischen Grabstätten an ihren jetzigen Platz auf dem erweiterten neuen Friedhof umgebettet, weil sie uns wichtig sind.

Denn diese Gräber der Betzdorfer Juden stehen auch für das Andenken an ihre Verwandten, an die Betzdorfer Juden, die fliehen mussten, und an die 24 Betzdorfer Juden, die im Holocaust ermordet wurden, und derer wir gedenken, auch mit den Verpflichtungen des NIE WIEDER! Nie wieder Judenhass, nie wieder Diktatur, nie wieder Krieg!

Die Zerstörung der Grabstätten ist deshalb nicht nur eine Schändung der Ruhestätten unserer TOTEN, sondern ein Anschlag auf unser demokratisches Selbstverständnis und auf das ZusammenLEBEN in unserer Stadt.

Wir sind bestürzt über diese Tat zielgerichteter und doch so blinder Zerstörungswut. „Warum jetzt, warum hier?“ sind Fragen, die sich in diesen düsteren Zeiten vielleicht selbst beantworten. Aber für uns gibt es keine politische oder religiöse Überzeugung, die eine Rechtfertigung sein könnte für die hasserfüllte Schändung dieser Gräber. Wer solche Grabsteine abbricht, bricht auch mit uns und unserer Gemeinschaft.

Lasst uns, liebe Betzdorfer Bürgerschaft, gemeinsam diesen Anfängen wehren und geschlossen zusammenstehen gegen alle Angriffe auf unser friedliches Zusammenleben. (Quelle VG Betzdorf)