Besonderes Format geht in die zweite Runde – Viele Gäste erleben bewegende Vorträge
Westerwaldkreis. Viele Gäste haben in der Evangelischen Erlöserkirche Neuhäusel den zweiten „Predigt-Slam“ erlebt: Acht theologische Profis und Laien leisteten am Reformationstag „Widerstand“ – mit pointierten Predigten, verspielten Versen und kraftvoller Klangkunst.
Der Neuhäuseler Pfarrer Fabian Schley moderiert den Slam und freut sich „wie ein Honigkuchenesel“ auf die acht Beiträge. Zu Recht, denn für jeden Vortragenden bedeutet Widerstand etwas anderes.
Und das macht den Abend facettenreich und spannend. Die Montabaurer Pfarrerin Deborah Kehr startet. Sie nimmt die Gäste mit in die späten 1990er-Jahre; sagt und sing, wie sie als Achtjährige den Kinderliederklassiker „Sei ein lebend’ger Fisch“ schmettert – im Wissen, dass sie die Welt ein Stück besser machen wird. „Heute, 30 Jahre später, bin ich nur noch ein Bruchteil so radikal“, gesteht sie. Den Willen, lebendig zu sein, laut und mutig und die Welt zum Guten zu verändern, hat sie immer noch. „Die kleine Deborah ruft das Lied mehr als dass sie es singt. Und ich glaube, sie meint mich“, schließt sie. Und die ZuhörerInnen reagieren mit Stille, bevor sie applaudieren.
Viele der Vorträge hallen nach; bewegen, gehen zu Herzen. Weil die Worte aus tiefen Herzen kommen. So wie die von Carsten Schmitt, Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde Ransbach-Baumbach – Hilgert. Es sind mächtige Sätze, die er in die Stille des Kirchenschiffs meißelt. Worte, die es verdient hätten, in Stein gehauen zu werden, damit man sie in Ruhe nachlesen und dechiffrieren kann. Es sind solche, die Jesus heute sagen könnte („Was ihr nicht mehr hören wollt, das bin ich. Was ihr nicht mehr spüren wollt, das ist Gnade“). Carsten Schmitt schließt mit einem Blick ins Morgen: „Bis hierhin und nicht weiter. Ab hier: anders!“.
Der Beitrag des Neuhäuseler Kirchenvorstandsmitglieds Jovanka Möllendick gleicht unterdessen einem persönlichen Glaubensbekenntnis. Ein Vortrag, der fragt, klagt und sagt: „Widerstand ist nicht gegen Gott. Widerstand kommt von Gott. Ich bete mit erhobener Faust und mein Amen ist ein Vielleicht.“
Pastoralreferent Rainer Dämgen trägt seinen Text frei vor und glaubt, dass Widerstand nicht nur Kraft kostet, sondern auch Kraft gibt: „Jesus leistet Widerstand. Indem er sich zu Gott zurückzieht und so ,wieder Stand‘ bekommt. Lasst uns als Christen danach suchen, wie wir wieder unseren Stand finden. Auch in der Gesellschaft.“
Dann ist Pause und die Gäste haben Gelegenheit, das alles erst einmal sacken zu lassen. Musiker Matthias Ohlig verleiht den Worten und Gedanken am Klavier währenddessen Flügel – mit gefühlvollen, musikalischen Improvisationen.
Die zweite Hälfte beginnt rätselhaft – mit einem imaginären Dialog zwischen Abraham und Gott und dessen Plan, Sodom und Gomorrha zu zerstören, sollten sich dort keine zehn anständigen Menschen finden. Und in Daniela Schmidts Beitrag ist es Jesus Christus selbst, der verbalen Widerstand leistet – beziehungsweise: in aktuellen Diskussionen leisten würde: „Stadtbild – was für ein Wort. War Jesus Teil des Stadtbilds? Er selbst hat sich doch um diejenigen gekümmert, die nicht mehr zum Stadtbild gehörten“, glaubt die Politikwissenschaftlerin. „Er selbst lebte und wirkte in diesen Stadtbildern; gab Widerworte und hat sich Widerworte angehört.“
Widerstand und Widerworte sind also Teil des christlichen Glaubens. Das findet auch Margit Chiera (Kirchenvorstand Montabaur), für die Widerstand und ihr persönlicher Glaube eng zusammengehören: „Jesus selbst ist Widerstand – gegen Lügen und Heuchelei“, sagt sie und ist überzeugt, dass Gott in den Momenten, in denen es zu widerstehen gilt, die richtigen Worte schenkt.
Die Beiträge gehen eben in die Tiefe. Und es ist gut, dass der letzte „Slammer“, der katholische Pfarrer Steffen Henrich, den Abend mit einer leichten Note abschließt. „Ich habe mir unter Predigtslam ehrlich gesagt etwas anderes vorgestellt“, gibt er lächelnd zu. Dann improvisiert er einen Beitrag, in dem er von seiner Kindheit über heimlich genaschte Süßigkeiten schließlich auf Ignatius von Loyola zu sprechen kommt. Einen Mann, der vom Krieger zum Heiligen wurde und schließlich bei sich ankam – und bei Gott. „Er wurde kein Abklatsch irgendeines Heiligen. Er hat zu sich selbst gefunden.“ Etwas, das Steffen Henrich auch sich und anderen wünscht.
Vielleicht gehört auch das zum Widerstand: ihn aufzugeben und loszulassen, um frei für Neues zu werden. Eine der vielen Facetten, denen sich die acht Teilnehmenden des zweiten Predigtslams widmen. Widerstand ist also alles andere als zwecklos. Er ist wichtig, in all seinen Formen. „Segen ist der größte Widerstand, das lauteste Wort gegen Fluch. Segen soll das letzte Wort behalten“, sagt Pfarrer und Moderator Fabian Schley, als er den Predigt-Slam beendet – mit einem Segen. (bon) (Evangl. Dekanat WW)



